Vom verzauberten Wolf

Tief in einem alten, magischen Wald lebte ein Wolf namens Wunjo. Doch Wunjo war kein gewöhnlicher Wolf – er war verzaubert. Vor vielen Jahren hatte eine mächtige Waldhexe ihm einen Zauber auferlegt, der ihn bei Tageslicht in einen Schatten verwandelte. Nur in der Nacht konnte er in seiner wahren Gestalt, mit seinem silbrig glänzenden Fell und den leuchtenden, blauen Augen, durch den Wald streifen.

Wunjo war einsam, denn niemand kannte ihn. Tagsüber blieb er unsichtbar, und wenn die Nacht hereinbrach, war der Wald still und leer. Eines Abends, als der Vollmond hell über den Baumwipfeln stand, beschloss Wunjo, weiter als je zuvor zu wandern, in der Hoffnung, jemanden zu finden, der seine Geschichte hören würde.

Er lief leise durch den Wald, bis er an einen kleinen, glasklaren See kam. Dort, am Ufer, saß ein junges Mädchen namens Miar, das den Mondschein auf dem Wasser bewunderte. Sie war nicht wie die anderen Menschen, die Angst vor dem Wald hatten. Sie fühlte sich von ihm angezogen.

Wunjo zögerte, doch er trat vorsichtig näher. Zu seiner Überraschung drehte Miar sich um und lächelte. „Hallo, Wolf. Ich wusste, dass ich hier jemanden treffen würde.“

Verblüfft setzte sich Wunjo neben sie. „Du hast keine Angst vor mir?“ fragte er leise.

Miar schüttelte den Kopf. „Nein. Der Wald hat mir von dir erzählt. Du bist der Wolf, der nur nachts erscheint.“

Wunjo schaute auf den Mond und seufzte. „Ich bin verzaubert, und bis der Fluch gebrochen wird, kann ich nur in der Dunkelheit leben.“

Miar überlegte kurz und sagte dann: „Vielleicht ist der Fluch gar nicht so schlimm. Du bist der Hüter der Nacht. Der Wald gehört dir, wenn alles still wird, und der Mond dir den Weg zeigt.“

Wunjo hatte noch nie daran gedacht, es so zu sehen. Er blickte in den sternenklaren Himmel und spürte, wie eine warme Ruhe in ihm aufstieg. Die Nacht war tatsächlich seine Zeit – und er war nicht allein.

Von dieser Nacht an trafen sich Miar und Wunjo regelmäßig am See. Sie erzählten sich Geschichten, und gemeinsam genossen sie die stille, magische Nacht. Der Fluch war nicht gebrochen, aber Wunjo fühlte sich nicht mehr einsam. Der Wald war nicht länger sein Gefängnis, sondern sein Zuhause.

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Bald ist “Hallo Wien”

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Das Spukhaus im Wald